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Erst wäg’s, dann wachs!

Tuesday, November 20, 2007

(jo) Nach dem Abschleifen sind Holzböden, besonders der weiche Dielenboden, extrem anfällig für Flecken aller Art. Eine staubige Schuhsohle oder ein feuchter Wassereimer hinterlassen Spuren, die nur mit Schleifpapier wieder weggehen.

Um die Empfindlichkeit herabzusetzen, gibt es (wie so oft) mehrere Möglichkeiten. Eigentlich sind es eher Religionen. Da wäre zum einen die heilige Kirche der Versiegler. Sie glaubt, dass schlagfester, wasserundurchlässiger Lack das Antlitz eines Holzfußbodens bis zum jüngsten Tag konserviert. Außerdem behauptet sie, das regelmäßige rituelle Feuchtaufwischen würde ihren Anhängern besonders leicht fallen ("dein Wischwasser bestehe nur aus Wasser und Seife, denn alles andere ist von Übel").

Die zweite große Glaubensgemeinschaft ist die charismatische Kongregation der Balsamierer. Sie schwört auf Öl oder Öl-Wachs-Mischungen. Das Öl füllt die Poren des Holzes und macht es schmutz- und wasserabweisend. Aber der lebende Werkstoff Holz, so predigen die Balsamierer, kann atmen, bleibt fruchtbar und froh. Das ungleichmäßige Nachdunkeln des Holzes geschieht nach Meinung der Balsamierer im Einklang mit dem göttlichen Schöpfungsplan und ist deshalb als schön anzusehen.
Zwar muss der Boden regelmäßig poliert und nachgeölt werden, doch die Balsamierer sehen darin eine meditative Handlung, die sie eins werden lässt mit der Rotation der Gestirne. Versiegler fallen nach ihrer Auffassung in Sünde, und, wegen der elektrostatischen Wirkung glatter Flächen, der Strafe ewigen Asthmas anheim.

Schließlich gibt es noch eine kleine Sekte, die aus bekehrten Balsamierern und Versieglern besteht: Die Kernseifenschäumer. Sie finden spirituelles Glück im wöchentlichen Schrubben des unbehandelten Holzbodens mit Kernseife.

Bei manchen Menschen entscheidet in Glaubensdingen das Herz, bei anderen der Geldbeutel. In unserem Fall entschied eine halbvolle Dose PNZ Hartwachsöl, die noch von den Badzimmerdielen übrig war (also irgendwie doch der Geldbeutel). Wir tauften die frisch geschliffenen Böden mit Wachsöl, wie es die Lehre der Balsamierer empfiehlt.

Es war, oh ihr Mitgeschöpfe, die ihr sterblich seid wie wir, ein Vorgeschmack auf das wahre Paradies der Werktätigen. Das blöde Zeug wollte nicht einziehen. Die 40 Kilo schwere Poliermaschine ("columbus") pappte fest, riss sich von ihrer Polierscheibe los und vollführte Veitstänze im Raum, wobei sie mehr Macken auf dem Boden hinterliess als 100 Wassereimer und Turnschuhe. Geschlagene acht Tage, eine ganze göttliche Schöpfung plus ein Tag, rangen wir mit dem motorisierten Dämon und betanzten unser klebriges Ölfeld.

Dann wurde es still und alles war gut.

1029-polierencolumbus.jpg

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